Bereits seit einiger Zeit wird an einem neuen europäischen Patentsystem gearbeitet. Dieses System soll eine unkomplizierte Alternative für das gegenwärtige Validierungsverfahren werden und die Patentrechtsprechung innerhalb Europas vereinfachen. Auf dieser Seite lesen Sie, was die zwei Neuerungen dieses Systems – das Einheitspatent (Englisch: Unitary Patent bzw. UP) und das Einheitliche Patentgericht (Englisch: Unified Patent Court bzw. UPC) genau beinhalten werden. Zudem werden die Auswirkungen des neuen Patentsystems auf die tägliche Praxis thematisiert. Im Moment ist noch unklar, wann das neue System in Kraft tritt. Aktuelle Mitteilungen hierzu finden Sie weiter unten auf dieser Seite.
Das Einheitspatent
Das Einheitspatent ist eine Alternative zum bestehenden Validierungsverfahren europäischer Patente in einzelnen Ländern. Es handelt sich somit nicht um ein “neues” Patent, sondern um eine Option, ein erteiltes europäisches Patent in einem Schritt in allen teilnehmenden Ländern* zu validieren. Das Anmelde- sowie das Erteilungsverfahren europäischer Patente ändern sich nicht.
Was bedeutet das Einheitspatent für Sie?
Sobald das neue Patentsystem in Kraft ist, können Sie ein europäisches Patent bei der Validierung als UP registrieren lassen. Somit ist das Patent direkt in allen teilnehmenden Ländern gültig, wodurch das gesamte Validierungsverfahren erheblich vereinfacht wird:
- Es bedarf lediglich einer Übersetzung und keinen gesonderten Übersetzungen pro Land.
- Das Einheitliche Patengericht berechnet für die Jahresgebühr des Einheitspatents in den teilnehmenden Ländern einen einzigen Beitrag. Es fallen somit keine zusätzlichen Gebühren in den jeweiligen Ländern an.
- Das Einheitspatent fällt automatisch unter das UPC, so dass die Rechtsprechung zentralisiert ist. Für ein Einheitspatent kann keine Ausnahmeregelung zur Verhandlung vor den nationalen Gerichten beantragt werden.
Sollten Sie Ihr Einheitspatent verkaufen, so bezieht sich der Verkauf auf alle teilnehmenden Länder. Es ist nicht möglich, ein UP pro Land zu verkaufen. Lizenzen können hingegen weiterhin pro Land oder Region vergeben werden.
Einheitliches Patentgericht
Gerichtsverhandlungen bezüglich Verstöße und der Gültigkeit europäischer Patente werden zurzeit vor nationalen Gerichten des entsprechenden Landes verhandelt. Mit der Einführung des neuen Europäischen Patentgerichts (UPC) werden die Streitigkeiten für alle teilnehmenden Länder an einem europäischen Gericht zentralisiert. Dies gilt für alle neuen sowie bestehenden europäische Patente, die in einem oder mehreren teilnehmenden Ländern gültig sind.
Was bedeutet das Einheitliche Patentgericht für Patentinhaber?
Das Einheitliche Patentgericht vereinfacht die Durchsetzung eines europäischen Patents erheblich, weil diese mit nur einem Verfahren in allen teilnehmenden Ländern möglich wird. Eine Entscheidung hat sofort Auswirkungen auf die Patentrechte in allen Ländern. Dies kann sich, abhängig von Ihrer Situation, im Vergleich zum jetzigen System positiv oder negativ auswirken.
Sie haben die Möglichkeit, Ihr europäisches Patent bzw. Ihre europäischen Patente weiterhin nach dem aktuellen System behandeln zu lassen. In diesem Fall kann für Ihre europäischen Patente eine Ausnahmeregelung beantragt werden, so dass sich nichts ändert und Gerichtsverhandlungen vor den nationalen Gerichten stattfinden werden.
Eigenständiges Vorgehen durch exklusive Lizenzinhaber
Die Einrichtung des Einheitlichen Patentgerichts bringt eine Änderung für Patente mit einer exklusiven Lizenz mit sich. Der Inhaber einer Lizenz wird beim UPC selbstständig gegen Verstöße vorgehen können. Diese Änderung bezieht sich auf alle existierenden europäischen Patente, so dass auch Ihr Lizenzvertrag von den Auswirkungen betroffen sein kann. Möglicherweise möchten Sie aus diesem Grund Ihren Lizenzvertrag ändern oder eine Ausnahmeregelung beantragen.
Teilnehmende Länder
Die folgenden 17 Länder haben das Abkommen bereits ratifiziert und werden sich am UPC beteiligen, sobald es in Kraft tritt:
- Belgien
- Bulgarien
- Dänemark
- Deutschland
- Estland
- Finnland
- Frankreich
- Italien
- Lettland
- Litauen
- Luxemburg
- Malta
- Niederlande
- Österreich
- Portugal
- Schweden
- Slowenien
Wie sieht es im Moment aus?
Die Umsetzung des neuen europäischen Patentsystems hat sich zweimal verzögert, nachdem 2017 eine Verfassungsbeschwerde und im 2020 Eilanträge gegen die Zulassung beim Bundesverfassungsgericht eingereicht worden waren. Dieses Gericht hat am 9. Juli 2021 die Eilanträge abgelehnt, so dass die letzten formalen Schritte für die deutsche Ratifizierung des neuen Patentsystems abgeschlossen werden können. Es wird erwartet, dass das neue System im Herbst 2022 in Kraft tritt, da die letzte Phase der Vorbereitungen offiziell im Januar 2022 begann. In dieser letzten Phase werden auch die Richter ernannt.
Erste Sitzung des Verwaltungsausschusses des neuen Europäischen Patentgerichts
Am 22. Februar 2022 fand die erste Sitzung des Verwaltungsausschusses des neuen Europäischen Patentgerichts (des Einheitlichen Patentgerichts) statt. Damit treten die Vorbereitungen für die Errichtung des Gerichts in eine neue Phase. In dieser letzten Phase werden u. a. die Richter für das neue Patentgericht ernannt. Die Vorstellungsgespräche hierfür finden seit März 2022 statt.
Der Verwaltungsausschuss setzt sich aus Vertretern der 17 teilnehmenden Länder zusammen und ist unter anderem für die Ernennung der Richter und die Festlegung der genauen Verfahrensregeln für Rechtsstreitigkeiten am Patentgericht zuständig. Er ist damit das oberste Gremium des neuen Europäischen Patentgerichts für alle organisatorischen Fragen. Die erste Sitzung markiert die Geburtsstunde des Europäischen Patentgerichts als internationale Organisation und ist damit ein Meilenstein in der langen Entstehungsgeschichte des neuen Gerichts.
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Häufig gestellten Fragen
Opting-out bedeutet, dass Sie sich für die (weitere) Anwendbarkeit des derzeitigen Systems auf Ihr(e) europäisches(n) Patent(e) entscheiden. In diesem Fall müssen Sie für Ihr(e) derzeitiges(n) europäisches(n) Patent(e) einen so genannten Opt-out-Antrag (s.o.) stellen, damit sich nichts ändert und für Gerichtsverfahren weiterhin die nationalen Gerichte zuständig bleiben.
Sie können sich für die (weitere) Anwendbarkeit des derzeitigen Systems auf Ihr(e) europäisches(n) Patent(e) entscheiden. In diesem Fall müssen Sie einen so genannten Opt-out-Antrag für Ihr(e) derzeitiges(n) europäisches(n) Patent(e) stellen, damit sich nichts ändert und für Gerichtsverfahren weiterhin die nationalen Gerichte zuständig bleiben. Die Möglichkeit, einen Opt-out-Antrag zu stellen, wird bereits einige Monate vor dem Start des UPC zur Verfügung stehen.
Die Anträge auf ein Opt-out müssen für jedes europäische Patent einzeln gestellt werden. Sie können also für manche Ihrer europäischen Patente einen Opt-out Antrag stellen und für andere nicht.
Für anhängige europäische Patentanmeldungen gilt: Sobald das Patent erteilt ist, können Sie das Patent in den einzelnen Ländern validieren lassen, in denen das Patent in Kraft treten soll, ohne es als Einheitspatent zu registrieren. Zusätzlich muss ein Opt-out Antrag eingereicht werden.
Bei neuen Patentanmeldungen (Anmeldungen, die sich noch im Prioritätsjahr befinden oder noch nicht eingereicht wurden) könnten Sie in Erwägung ziehen, anstelle einer europäischen Patentanmeldung nationale Anmeldungen in den betreffenden europäischen Ländern einzureichen. Ob dies unter Kostengesichtspunkten oder aus rechtlicher Sicht interessant ist, hängt von der jeweiligen Situation ab.
Dies ist noch nicht möglich.
Ein Opt-out-Antrag kann in einem noch festzulegenden Zeitraum vor dem Inkrafttreten des EPG-Übereinkommens gestellt werden.
Ja, die Rücknahme des Opt-out ist möglich. Nach dem Entwurf der Verfahrensordnung ist es dann jedoch nicht mehr möglich, die Opt-out-Möglichkeit erneut zu nutzen. D.h. die Verfahrensordnung erlaubt 1x Opt-out und 1x Opt-in.
Das EPG könnte Ende 2022 oder Anfang 2023 in Kraft treten.