Möchten Sie in Deutschland den Schutzbereich eines Patents oder eines Gebrauchsmusters bestimmen oder feststellen, ob ein vermeintlich verletzendes Erzeugnis unter den Schutzbereich eines solchen fällt? Dann müssen die Ansprüche dieses Schutzrechts wortwörtlich ausgelegt werden. In Deutschland wird erst dem exakten Wortlaut der Patentansprüche gefolgt; daraufhin kann bestimmt werden, ob eine Verletzung gemäß der „Lehre der Äquivalenz“ in Betracht kommt.
Deutsche Gerichte verwenden eine Prüfung in drei Schritten, worin sie die folgenden Fragen beantworten:
1. Weist die vorliegende Alternative die gleiche Wirkung auf?
2. Ist sich der Fachmann dessen bewusst, dass die vorliegende Alternative dieselbe Wirkung aufweist?
3. Kommen die Überlegungen des Fachmanns hinreichend mit der in den Ansprüchen des Patents gebotenen Lösung überein, sodass die alternative Lösung als gleichwertig angesehen wird?
Äquivalenz oder nicht
Bei der dritten Frage wird dem nachgegangen, ob in der Patentschrift Anhaltspunkte für Äquivalenz gegeben sind. Dies war beispielsweise der Fall in der Entscheidung des Bundesgerichtshofes in der Sache „Diglycidverbindung“ (X ZR 69/10, 13.09.2011). Diese führte in den vergangenen Jahren zu einem kleineren Schutzbereich der Ansprüche. Der Bundesgerichtshof hat jedoch unlängst entschieden, dass die Auslegung des Schutzbereichs nach der Lehre der Äquivalenz nicht länger auf die explizite Lehre der Patentschrift begrenzt ist (siehe BGH „Begrenzungsanschlag”, X ZR 36/13, 06.05.2014).
Konsequenzen
In Folge ist es wichtig, diese Entwicklungen bereits beim Ausarbeiten einer Patentanmeldung in Betracht zu ziehen. Es wird empfohlen,
• alle alternativen Ausführungsformen zu beanspruchen, die in der Anmeldung beschrieben sind, um zu vermeiden, dass nicht beanspruchte Ausführungen aus dem Schutzbereich der Ansprüche ausgeschlossen werden;
• keine effektiven, äquivalenten Ausführungsformen zu offenbaren, die zum Beispiel auf Grund von mangelnder Einheitlichkeit nicht beansprucht werden;
• Widersprüchlichkeiten zwischen den Ansprüchen und der Beschreibung oder den Zeichnungen zu vermeiden;
• Beschreibung und Zeichnungen abermals kritisch zu betrachten, wenn die Ansprüche abgeändert worden sind.