In einem Gerichtsverfahren hat die unterliegende Partei häufig (einen Teil der) Prozesskosten der gewinnenden Partei zu tragen. Für europäische IP-Prozesse ist das in der Durchsetzungsrichtlinie geregelt. Dennoch handhaben die Länder die Regelungen bezüglich der Anwaltskostenerstattung unterschiedlich. Drei Anwälte von V.O. erklären die Situationen in Belgien, Deutschland und den Niederlanden.
Größeres Risiko für den Verlierer (Belgien)
Die Kosten, die der Verlierer eines Prozesses vom Gewinner übernehmen muss, sind maximiert und an die Höhe der zu beurteilenden Geldforderung gekoppelt. Die maximierten und gestaffelten Beträge sind für alle Prozesse gleich. Zumal die Kosten in einem Patentprozess in der Regel höher sind als in sonstigen Prozessen, deckt diese maximierte Kostengrundentscheidung längst nicht die tatsächlich angefallenen Kosten. Der europäische Gerichtshof urteilte vor ein paar Monaten, dass eine maximierte Erstattung zwar rechtens ist, dass sie jedoch einen erheblichen Teil der Kosten proportional zu decken hat. Erwartungsgemäß werden Richter das in IP- und Patentstreitigkeiten berücksichtigen, doch das erste Urteil steht noch bevor. Wenn eine Partei von einem Erfolg ausgeht, kann es für sie interessanter sein, einen Prozess in Belgien zu führen, zumal durch die proportionale Erstattung das Risiko für die andere Partei vergrößert wird.
Annemie Jaeken
Patentanwältin
Der Verlierer zahlt (Deutschland)
In Deutschland werden Prozess- und Anwaltskosten üblicherweise auf Basis des Streitwertes berechnet (basierend auf Umsatz usw.). Die Berechnung der Rückerstattung der Kosten für (Patent)Anwälte ist im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz festgelegt. Die eigenen Prozesskosten, sowie die der anderen Partei werden von der unterliegenden Partei getragen. Wird der Prozess teilweise verloren, tragen beide Parteien einen Teil dieser Kosten. Oft treffen Anwalt und Mandant eine eigene Vereinbarung, die auf dem Vergütungsgesetz und dem Stundensatz der Anwälte basiert. Wenn der Stundensatz die eventuelle Rückerstattung überschreitet, werden diese zusätzlichen Kosten nicht von der unterliegenden Partei erstattet.
Bettina Hermann
Patentanwältin
Anwendung „indicatietarieven“ (Niederlande)
In den Niederlanden entscheidet der Richter, ob die unterliegende Partei die Prozesskosten der gewinnenden Partei tragen muss. In IP-Prozessen kann der Verlierer jedoch zur Bezahlung der wirklichen Prozesskosten verurteilt werden. In Patentprozessen ist eine solche komplette Kostengrundentscheidung standardmäßig, doch in anderen IP-Prozessen werden die hohen Kosten als problematisch erfahren. Es sind zum Beispiel nicht nur die (vermeintlichen) Rechtsbrecher, sondern auch Inhaber gewerblicher Schutzrechte, deren Forderungen abgewiesen wurden, die zu einer kompletten Kostenübernahme verurteilt werden können. Mitunter aus diesem Grund wurden indicatietarieven aufgestellt (6.000€ bis 15.000€ in einer einstweiligen Verfügung und 8.000€ bis 25.000€ in Hauptsacheverfahren). Im Juli 2016 wurden sie vom Gerichtshof der Europäischen Union gebilligt. Erwartet wird, dass die indicatietarieven nun vermehrt und konsequenter angewendet werden.
Annelies de Bosch Kemper-de Hilster
Rechtsanwältin